Zuckermann, Moshe: Israels Schicksal. Wie der Zionismus seinen Untergang betreibt *

Moshe Zuckermann, 1949 in Tel Aviv geboren, ist Professor für Geschichte und Philosophie an der Universität Tel Aviv. Als Sohn von Holocaust-Überlebenden entschloss er sich nach zehnjährigem Aufenthalt in Deutschland mit zwanzig zur Rückkehr nach Israel.

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Er gilt als profunder Kritiker der israelischen Politik. Seine Bücher bringen weniger neue Fakten, mehr Analysen, diese jedoch in brillanter Form. Dass sie nicht immer leicht zu lesen sind, erklärt sich daraus, dass sein Denken auf dem Denken der Frankfurter Schule gründet. Bereits besprochen wurden hier von ihm unter anderen Schriften «Antisemit!» und «Sechzig Jahre Israel».

Die politischen Führer und Ideologen Israels haben den Staat, so Moshe Zuckermann, an eine historische Weggabelung manövriert, von der nur Sackgassen wegführen. Es steht vor einer Wahl, die nur zwei Möglichkeiten offenlässt: Israel kann sich zur Lösung des Konflikts mit den Palästinensern für die Zwei-Staaten-Variante entscheiden und so eine Friedenslösung zwischen zwei souveränen Staaten akzeptieren. Oder es kann diese torpedieren, muss dafür aber in Kauf nehmen, dass eine binationale Struktur entsteht, die tendenziell zu jenem Zustand führt, bei dem die Juden zur Minderheit im eigenen Land werden und dann einen Apartheid-Staat unterhalten oder offiziell einen binationalen Staat anvisieren. Eine solche Lösung, wie sie etwa Petra Wild und andere Forscher als Lösung vorschlagen, würde den Zionismus, Israels Staatsideologie, gravierend belasten, ja das gesamte zionistische Projekt in Frage stellen.

An die Zwei-Staaten-Lösung, wie sie auch Zuckermann vorschlägt, glauben heute die meisten Politiker. Er blickt zurück und stellt die Frage, wie es dazu kommen konnte, dass die Rettung des zionistischen Projekts nicht wahrgenommen wird. Man kann den Palästinensern die Schuld zuschieben, die Sicherheitslage im arabischen Umfeld verantwortlich machen oder die innere ideologische Zerrissenheit Israels als Grund nennen. Eine möglicher Grund wurde jedoch nie wirklich erörtert: dass Israel die historische Entscheidung seit 1967 nie angestrebt hat, weil der Zionismus selbst nicht an die Zukunft seines eigenen Projekts glaubt. Diese These vertritt Zuckermann. Er geht dabei strukturanalytisch und ideologiekritisch vor und nimmt historische Abläufe, politische Kontexte und gesellschaftliche Klüfte ins Visier. Eine Erklärung liegt im Ideologischen, wobei er zwischen der religiösen und der säkularen Koordinate unterscheidet. Erstere basiert auf der «Ewigkeit Israels» und dem Gottesglauben, der sich von nichts und niemandem abschrecken lässt; die zweite geht vom «Primat der Sicherheit» aus, die den Palästinensern jedoch den Frieden verweigert.

Die aktuelle rechtsnationalistische zionistische Regierung unter Netanyahu, Lieberman und Bennet fährt durch ihre aggressiv-kolonialistische Politik den Staat Israel gegen die Wand, so das Fazit des Buches. Es führt aus, wie sich Israel über fast 50 Jahre in eine politische Ausweglosigkeit hineinmanövriert hat, die offenbar immer neue und grausamere Runden der Gewalt notwendig macht. Die letzte fand im Sommer 2014 statt, als Israel 51 Tage lang gegen Gaza Krieg führte, der mehr als 2.000 Tote forderte, mehr als 10.000 Palästinenser verletzte und 100.000 obdachlos machte. Der Konflikt wurde damit nicht gelöst, im Gegenteil.

Zuckermann wünscht sich jedoch kein Ende des Zionismus, im Gegenteil. Er möchte diesen und damit Israel retten, wofür die Gründung eines Palästinenserstaates jedoch unabdingbar ist. Doch den Willen zu solch einer historischen Grosstat sieht er nirgends in seinem Land. Da der Zionismus so den eigenen Untergang betreibe, werde auch das «zionistische» Israel untergehen. Ob es dann einen «nichtzionistischen Neubeginn mit emanzipatorischem Horizont» oder eine «ruchlose, faschistisch-repressive Degeneration» geben wird, kann nicht vorausgesagt werden. Jetzt aber ist der in Israel als Staatsdoktrin herrschende Zionismus dabei, das «zionistische Projekt» eines Staates mit Juden in der Mehrheit in den Abgrund zu fahren. Denn die Verweigerung der Zwei-Staaten-Lösung bedeutete objektiv die Entstehung einer binationalen Struktur, in der die jetzige palästinensische Minderheit zur Mehrheit wird und nur durch ein noch rigoroseres Apartheids-Regiment als heute weiter führen kann, was – auch international – der Existenzberechtigung des Staates Israels vollends den Boden entziehen dürfte. – Nach der Lektüre des Buches versteht man einmal mehr, warum der Frieden im Nahen Osten unmöglich ist.

Zuckermann, Moshe: Israels Schicksal. Wie der Zionismus seinen Untergang betreibt. Promedia, Wien 2014, 208 Seiten